Hannover. Die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen hat deutliche Auswirkungen auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Zu diesem Ergebnis kommt die Zentralstelle Jugendsachen des Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen. Sie hat jetzt ihren Bericht „Junge Menschen – Delinquenz, Gefährdung, Prävention“ für das Jahr 2020 veröffentlicht. Darin wird deutlich: In nahezu allen Deliktsfeldern sind Kinder und Jugendliche im Vergleich zum Vorjahr seltener zu Tätern und Opfern geworden.
Für den Bericht hat die Zentralstelle Jugendsachen die Polizeiliche Kriminalstatistik 2020 mit Erkenntnissen über Tatverdächtige und Opfer im Alter bis 21 Jahre in Niedersachsen zugrunde gelegt. Insgesamt sind 61.256 Fälle mit jungen Tatverdächtigen polizeilich registriert worden, 2019 waren es 66.785. Demnach ist die Anzahl der Fälle, an denen jungen Tatverdächtigen beteiligt waren, 2020 insgesamt um -8.28 Prozent gesunken. Besonders deutlich war der Rückgang bei den Fällen mit tatverdächtigen Kindern im Alter bis 14 Jahre (-21,93 Prozent).
Auch die Anzahl ermittelter junger Tatverdächtiger weist markante Rückgänge auf: Die Anzahl tatverdächtiger Kinder sank um -17,84 Prozent von 7.840 im Vorjahr auf jetzt 6.441, die jugendlicher Tatverdächtiger um -7,07 Prozent von 18.989 auf 17.476. Außerdem wurden -4,84 Prozent weniger heranwachsende Tatverdächtige (insgesamt 18.752) registriert. Im Zehn-Jahres-Vergleich hat es noch nie so wenige junge Tatverdächtige gegeben wie im Jahr 2020. Damit wird der Einfluss, den die pandemiebedingten Einschränkungen auf die Werte der PKS hatten, bei den jungen Tatverdächtigen besonders deutlich.
Landesweit ging infolge der pandemiebedingten Einschränkungen die Anzahl junger Tatverdächtiger zu Diebstahlsdelikten um -20,24 Prozent auf 10.582 zurück, bei Ladendiebstählen sogar um -24,19 Prozent auf 5.738. Hervorzuheben ist auch der Rückgang im Bereich der Körperverletzungsdelikte. Hier sank die Zahl der jungen Tatverdächtigen um -18,91 Prozent und damit deutlich stärker als bei der Altersgruppe der über 21-jährigen Erwachsenen (-5,06 Prozent) von 36.232 auf 34.398 Tatverdächtige.
Jenseits dieser pandemiebedingt nur verhalten positiv zu bewertenden Entwicklungen gab es auch Deliktsfelder, welche nicht dem sinkenden Gesamttrend folgten. So stiegen auch im Berichtsjahr 2020 die Fall- und Tatverdächtigenzahlen im Deliktsfeld der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Hier stieg die Zahl der jungen Tatverdächtigen um 272 (+11,60 Prozent) auf 2.617. Betrachtet man die einzelnen Tatbestände dieses Deliktsfeldes, wird dann deutlich, dass junge Menschen überwiegend durch Verbreitung und Besitz pornografischer Inhalte strafrechtlich in Erscheinung treten. Mit einem Anteil von knapp 60 Prozent (3.383 Taten) war die Verbreitung pornografischer Schriften das Delikt gegen die sexuelle Selbstbestimmung, dessen junge Menschen im Jahr 2020 am häufigsten verdächtig waren. Hier spielt die inhaltlich problematische Nutzung von Smartphones und Messengerdiensten aus fachlicher Sicht des LKA eine gewichtige Rolle.
Die Anzahl der wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelten jungen Tatverdächtigen blieb auf vergleichsweise hohem Niveau konstant (+0,12 Prozent). Zudem lässt sich im Vergleich der vergangenen zehn Jahre feststellen, dass die Anzahl junger Tatverdächtiger, die durch konsumnahe Delikte im Zusammenhang mit Cannabisprodukten auffielen, insgesamt um 68,40 Prozent gestiegen ist.
Die Daten des Berichtsjahres 2020 und vorraussichtlich auch des Folgejahres 2021 sind mit denen der Vorjahre aufgrund der pandemiebedingten Einschänkungen des öffentlichen Lebens nur eingeschränkt vergleichbar. Die Zentralstelle Jugendsachen geht davon aus, dass diese Einschränkungen auch weit über ihre Beendigung hinaus, Auswirkungen auf die Lebenswelten junger Menschen und ihrer Delinquenz in einigen Phänomenbereichen haben werden.
PM/Landeskriminalamt Niedersachsen