Berlin. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wegen der gestoppten Pläne, zweifelhafte Masken aus China an Obdachlose und Menschen mit Behinderung verteilen zu lassen, eine „beispiellose Verachtung“ für Teile der Gesellschaft vorgeworfen. „Mit dieser menschenunwürdigen Haltung hat man in der Politik nichts verloren“, sagte Esken dem „Tagesspiegel“ (Sonntag) und forderte damit indirekt den Rücktritt des Bundesgesundheitsministers.
„Ein Gesundheitsminister, der seine Fehler auf dem Rücken anderer versucht zu verdecken, handelt respektlos“, sate Esken mit Blick auf massenhaft mitunter zweifelhafte, nicht-zertifizierte Masken, die vom Bund 2020 eingekauft wurden. „Der moralische Verfall der Union hat einen neuen, unerträglichen Tiefpunkt erreicht.“ Nach den Korruptionsfällen bei Maskengeschäften und dubiosen Aserbaidschan-Geschäften gebe es nun dieses verwerfliche Fehlverhalten von Jens Spahn. „Der CDU-Vorsitzende muss umgehend reagieren“, forderte die SPD-Vorsitzende mit Blick auf Armin Laschet.
In der Bundesregierung gibt es eine Bestätigung für den von der SPD kritisierten Sachverhalt. Das Arbeitsministerium teilte auf Tagesspiegel-Anfrage mit, dass das Gesundheitsministerium „in der Pandemie in Deutschland nicht zertifizierte Masken an Obdachlose und Grundsicherungsempfänger und in Einrichtungen mit Menschen mit Behinderung“ verteilen lassen wollte. „Dem haben wir als Bundesministerium für Arbeit und Soziales widersprochen.“
Die betreffenden Masken sind nicht zertifiziert und waren im Zuge von Masseneinkäufen auf dem Höhepunkt der ersten Welle Teil der nationalen Notfallreserve geworden. In der zweiten Welle wurden dann im Herbst nach und nach an besonders gefährdete Gruppen Schutzmasken ausgegeben.
Im Gesundheitsministerium ist dagegen von einem „abgekarteten Spiel“ die Rede. Aus Wahlkampfgründen greife die SPD erneut Minister Spahn mit aufgebauschten Geschichten an. Bei der kostenlosen Verteilung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe „stand jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund“, betont das Ministerium.
Genau zu diesem Zweck habe es ja den Austausch der fachlich zuständigen Ministerien gegeben, welche Masken nach regulatorischen Betrachtungen in Frage kommen. Dass im Ergebnis in Deutschland produzierte FFP2-Masken versandt wurden, sei letztlich dann ein Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums gewesen, betonte das Ministerium von Spahn – allerdings gab es vor dem Veto laut des Arbeitsministeriums eben andere Pläne. Für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe („Hartz IV“) sei die Verteilung von Masken im Übrigen über die Apotheken erfolgt, heißt es weiter aus dem Bundesgesundheitsministerium. „Diese wurden von den Apotheken beschafft, Bestände des Bundes wurden hierzu nicht genutzt und dies war auch nicht geplant.“
PM/Der Tagesspiegel