Berlin. Im deutschen Handwerk, mit einer Million Betriebe und 5,5 Millionen Beschäftigten einer der größten Wirtschaftszweige, sind derzeit 14 000 Ausbildungsplätze nicht besetzt. Die Zahl der Ausbildungsverträge liegt um sieben Prozent unter Vorjahr. „Wir werden deutlich hinter 2019 zurückbleiben, und das macht mir sehr große Sorgen“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer dem „Tagesspiegel“ (Sonnabendausgabe). In der Finanzkrise 2008/09 habe das Minus auch sieben Prozent ausgemacht: „Das haben wir in den Folgejahren nicht wieder aufgeholt, und das sollte uns jetzt nicht noch einmal passieren.“
Alle Akteure im Berufsbildungsbereich müssten jetzt gegensteuern, sagte Wollseifer: „Es kann ja nicht sein, dass die Jugendlichen Ehrenrunden in der Schule drehen, obwohl wir sie im Handwerk dringend brauchen.“ Wegen der Pandemie seien die Rücklagen der Betriebe „mittlerweile aufgebraucht und das Eigenkapital schrumpft. Vielen fehlt die Liquidität, um einen starken Lockdown zu überstehen, sodass wir Hilfen der Politik brauchen“. Der Umsatz schrumpfe im Schnitt um vier Prozent in diesem Jahr, deshalb „wird es für manche eng“.
Von der Politik erwartet der Handwerkspräsident „eine grundlegende Strukturreform der Sozialversicherung, gesamtgesellschaftliche Aufgaben müssen auch gesamtgesellschaftlich angepackt und finanziert werden und nicht nur – wie es derzeit der Fall ist – ganz überwiegend von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Sozialabgaben zahlen.“ Wollseifer fordert eine Digitalsteuer für Amazon, Google und Facebook. „Es muss allerdings selbstverständlich sein, dass alle in Deutschland tätigen Unternehmen, die ja auf unsere Infrastruktur, unsere Arbeitskräfte zurückgreifen, zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen“, sagte Wollseifer dem „Tagesspiegel“.
PM/Tagesspiegel