Osnabrück. Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr so wenige Minderjährige eingestellt wie seit sieben Jahren nicht mehr. Insgesamt wurden 1148 Soldatinnen und Soldaten 2020 in die Truppe aufgenommen, die bei Dienstantritt noch keine 18 Jahre alt waren.
Gegenüber dem Vorjahr entsprach das einem Rückgang von fast einem Drittel und lag wieder auf dem Niveau aus dem Jahr 2013 (1146 minderjährige Rekruten). Das geht aus Daten des Bundesverteidigungsministeriums hervor, die der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) vorliegen. Mehr als die Hälfte der 17-jährigen Rekruten wurden demnach im fünften Monat im Dienst volljährig. Knapp 80 Prozent der eingestellten Minderjährigen waren junge Männer. Der Anteil der Minderjährigen an den neuen Rekruten sank im Vergleich zum Vorjahr von 8,5 auf 7 Prozent.
Der 2018 eingesetzte Rückgang hat sich damit beschleunigt. Waren 2017 noch 2126 Rekruten unter 18 Jahre alt gewesen, so waren es 2018 nur noch 1679 und 2019 dann 1705. Zuvor war die Zahl seit 2013 stetig nach oben geklettert.
Gründe für den Rückgang nannte das Verteidigungsministerium nicht. Er dürfte zum Teil damit zusammenhängen, dass auch die Zahl der neuen Rekruten im Corona-Jahr drastisch sank, und zwar um 18 Prozent auf 16.442 Soldaten. Bei den Minderjährigen war der Rückgang mit einem Minus von knapp 33 Prozent aber noch stärker. Nach gängiger Meinung hat die Attraktivität der Bundeswehr abgenommen, die zudem in Konkurrenz zu beliebten Arbeitgebern mit einem ähnlichen Anforderungsprofil steht wie etwa der Bundespolizei oder dem Zoll. Auch die öffentliche Kritik der vergangenen Jahre hat nach Ansicht von Experten wohl Wirkung gezeigt. Eine Ministeriumssprecherin sagte gegenüber unserer Redaktion lediglich: „Eine gezielte Rekrutierung in diesem Altersband findet nicht statt.“
Seit Jahren gibt es an der Einstellungspraxis von Minderjährigen viel Kritik. Der Linken-Bundestagsabgeordnete und Experte für Verteidigungsfragen Matthias Höhn sagte der „NOZ“: „Minderjährige gehören nicht in die Bundeswehr.“ Millionen würden in Werbekampagnen gesteckt, „in denen der Dienst an der Waffe als cooles Abenteuer dargestellt“ werde: „Diese Filmchen haben aber herzlich wenig mit dem realen Leben als Soldatin oder Soldat zu tun.“ Die Initiative „Unter 18 nie!“ forderte, die aktuelle Rekrutierungspraxis so schnell wie möglich zu beenden. Die Sprecherin der Initiative, Sarah Gräber, sagte der „NOZ“: „Wir geben damit international ein schlechtes Vorbild ab.“ Länder wie Somalia oder Afghanistan würden auf Deutschland verweisen, um den Einsatz von Kindersoldaten in ihren Armeen zu rechtfertigen. Dem Bündnis gehören unter anderem die Bildungsgewerkschaft GEW, Pax Christi und das Hilfswerk terre des hommes an.
PM/NOZ